“Puh…”, stöhnt Jürgen, als er aus dem Konferenzraum kommt. Er fühlt sich wie gerädert. Diese drei Stunden fühlten sich an wie sechs. Und als ihn seine Kollegin fragt, wie es gelaufen sei, kommt er ins Grübeln. So richtig weiß er eigentlich nicht, was er antworten soll. Ja, sicher, sie hatten lange beieinander gesessen, hart diskutiert. Und, ja am Ende hat es auch eine Entscheidung gegeben. Aber wenn er es recht bedenkt, eigentlich hätte er mit seiner Zeit Besseres anfangen können. So war das immer…
Regeln retten – oder nicht?
Die meisten Unternehmen tappen in diese Meeting-Falle. Ist auch recht verständlich. Führungskräfte wissen heutzutage sehr gut, dass sie mit Befehl und Gehorsam herzlich wenig erreichen. Sie wissen sehr gut, dass Mitarbeiter nur dann mitziehen, wenn sie auch motiviert sind. Und Motivation erreicht man wie? Richtig. Mit Beteiligung. Wenn wir also Mitarbeiter beteiligen wollen, dann müssen wir wichtige Entscheidungen eben auch gemeinsam treffen. Und der passende Rahmen? Natürlich das Meeting. Hier sitzen wir alle gemeinsam am Tisch. Wir entwickeln zusammen und wir entscheiden zusammen. Schön basisdemokratisch. Hört sich toll an, oder? Und ein wunderbarer Nebeneffekt: Am Ende kann keiner sagen, er hätte es nicht mitbekommen. Ha, prima abgesichert, das Ganze. Und trotzdem läuft es schief. Die Leute kommen zu spät. Oder sie lenken sich sonst irgendwie ab. Damit wir Ruhe in den Laden kriegen, werden Regeln aufgestellt: Pünktlich sein, Laptop und Handy aus. So, jetzt aber…
Wer nichts zu sagen hat, einfach wegbleiben…
Warum sind denn die Leute trotzdem nicht bei der Sache? Warum dauern diese Meetings so verflixt lange? Und warum bringt‘s am Ende so wenig? Ganz einfach, weil wir mit diesen Regeln nur die Symptome bekämpfen. Wenn der Unterricht langweilig ist, werden Smileys vergeben, damit die Kinder ruhig bleiben. Dann sind sie ruhig, richtig. Aber sind sie bei der Sache? Nein. Und genauso ist es auch bei den Meetings im Unternehmen. Wenn der Stoff mich nicht interessiert, sitze ich die Zeit eben ab. Smileys gibt’s dann leider keine mehr. Also: Augen zu und durch.
Was würde passieren, wenn die Meetings freiwillig wären? Dann würde ganz schnell klar werden, wer der richtige Mann oder die richtige Frau für die konkrete Angelegenheit ist. Denn nur die würden erscheinen. Und die wären auch bei der Sache. Ganz ohne Regeln. Vielleicht würde auch gar keiner kommen? Vielleicht braucht man dieses Meeting gar nicht? Vielleicht erkennt man, dass die Mannschaft gar nicht so eine feine Truppe ist? Vorsicht! Könnte wehtun, das Korsett zu öffnen. Aber es wäre verdammt lehrreich! In jedem Fall wäre der Einladende gezwungen, sich wirklich Gedanken über dieses Meeting zu machen – um dann auch die passenden Teilnehmer zu gewinnen.
Viele Intrinsifier setzen genau auf diese Freiwilligkeit. Die Leute entscheiden selbst, ob sie etwas zu der konkreten Sache beitragen können. Sonst bleiben sie schlicht weg. Daneben helfen zwei Prinzipien, um die Meetings noch produktiver zu machen:
- Keine Entscheidungen treffen: Das entschlackt die Meetings ungemein und sie dienen dann wieder ihrem eigentlichen Zweck – nämlich dem effizienten Informationsaustausch in kürzest möglicher Zeit.
- Nur mit begründeter Einladung: Ein Meeting darf nur stattfinden, wenn der Einladende einen Einseiter erstellt hat, auf dem Folgendes ausgefüllt ist:
- Ein aussagekräftiger Titel, um sich klar zu werden, wofür das Meeting wirklich gut ist. Warum genau brauchen wir dieses Meeting?
- Was ist der Ist-Zustand?
- Was würden wir gerne erreichen?
- Was hält uns davon ab?
- Wobei braucht es von diesem Kreis Hilfe?
Vielleicht macht Ihr es ja mal auf das Korsett, wenn Ihr Euer nächstes Meeting angeht? Oder Ihr sagt mutig ab, wenn Ihr was Besseres anfangen könnt mit Eurer Zeit. Wir sind gespannt auf Eure Erfahrungen! Lasst uns wissen, wie es gelaufen ist. Wie hat Euer Chef reagiert, wie Eure Kollegen? Diese Erfahrungen helfen anderen, es auch endlich anzugehen und sich aus diesen leidigen Gesprächskreisen zu befreien.
Ich finde den Artikel sehr gut. Aus Erfahrung weiß ich, dass sehr viele Probleme ihre Wurzel ganz woanders haben, als wie man es auf den ersten Blick glaubt.
Der Punkt mit den Entscheidungen finde ich auch sehr spannend, weil das in der Tat oft zu langen Diskussionen führen kann und sich anschließend auch nicht an die Beschlüsse gehalten wird.
Mir stellen sich dann allerdings die Fragen: Wo werden Vereinbarungen getroffen? Wie können in einer entschlackten Welt Entscheidungen getroffen werden?
Die Frage mit den Entscheidungen habe ich mir auch gestellt.
Wo werden die getroffen, wenn 3-4 Parteien sich abstimmen müssen und am Ende eine Entscheidung stehen soll?
Gute Erfahrungen habe ich mit der Meeting-Organisation nach dem Unkonferenz-Prinzip gemacht. Das Meeting hat Zeitfenster und die Inhalte/ Reihenfolge der Zeitfenster werden anfangs durch die Teilnehmer bestimmt.
Hallo Ihr Beiden. Wie immer hängt es vom Einzelfall ab, aber tendenziell würde ich empfehlen vorher festzulegen, wer die Entscheidung nachher treffen wird. Und dann das Prinzip des konsultativen Einzelentscheids zu nutzen. Lars hat das kürzlich in seinem Blog auch schön beschrieben: http://larsvollmer.com/meeting-massaker-wozu-kein-mensch-ein-meeting-braucht/
Der Artikel hat sich leider verflüchtigt und ist auch unter https://larsvollmer.com/meeting-massaker/ nicht mehr auffindbar. Aber ich weiß, was gemeint ist und bin selbst großer Fan von Konsent UND konsultativem Einzelentscheid als Entscheidungsfindung.
Welchen Tipp hast du denn für informative Abteilungsmeetings, die (leider) oft top-down Monologe mit Teilnahmepflicht sind. Was wäre da ein besseres Format?
Hi Maria, den Artikel von Lars kannst Du auch hier noch nachlesen:
https://www.linkedin.com/pulse/meeting-massaker-wozu-kein-mensch-sitzungen-braucht-lars-vollmer/